11.04.2022 | Corona-Pandemie

Gewerberaummiete: Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Geschäftsschließung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Frage entschieden, ob ein Mieter von gewerblich genutzten Räumen für die Zeit einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung während der COVID-19-Pandemie zur vollständigen Zahlung der Miete verpflichtet ist.

Die Beklagte hat von der Klägerin Räumlichkeiten zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs gemietet. Aufgrund des sich im März 2020 in Deutschland verbreitenden Corona-Virus erließ das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt im März 2020 Allgemeinverfügungen, aufgrund derer die Beklagte ihr Textileinzelhandelsgeschäft im Mietobjekt für einen Monat schließen musste. Infolge der behördlich angeordneten Betriebsschließung entrichtete die Beklagte für den Monat April 2020 keine Miete. Die Parteien stritten nun bis zum BGH, ob diese Monatsmiete zu zahlen war oder nicht.

Der BGH hat das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen. Er hat entschieden, dass im Fall einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erfolgt, grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch (§ 313 Abs. 1 BGB) in Betracht kommt. Dies bedeutet aber nicht, so der BGH, dass der Mieter stets eine Anpassung der Miete für den Zeitraum der Schließung verlangen kann. Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Eine pauschale Betrachtungsweise wird den Anforderungen an diesen Grundsatz nicht gerecht.

Das OLG hatte eine Vertragsanpassung dahingehend vorgenommen, dass ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände die Miete für den Zeitraum der Geschäftsschließung grundsätzlich um die Hälfte herabgesetzt wird. Grund: Das Risiko einer pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkung der Mietsache treffe keine der beiden Mietvertragsparteien allein. Dies, so der BGH, komme nicht in Betracht. Es bedarf vielmehr einer umfassenden und auf den Einzelfall bezogenen Abwägung, bei der zunächst von Bedeutung ist, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind.

Diese werden laut BGH bei einem gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung bestehen, wobei jedoch nur auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abzustellen ist. Zu berücksichtigen kann auch sein, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. Da eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage aber nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste führen darf, sind bei der Prüfung der Unzumutbarkeit grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat. Dabei können auch Leistungen einer ggf. einstandspflichtigen Betriebsversicherung des Mieters zu berücksichtigen sein. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die nur auf Basis eines Darlehens gewährt wurden, bleiben hingegen bei der Abwägung außer Betracht, weil der Mieter durch sie keine endgültige Kompensation der erlittenen Umsatzeinbußen erreicht. Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters ist nicht erforderlich. Bei der gebotenen Abwägung sind auch die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen.

Das OLG muss nach der Zurückverweisung durch den BGH nun prüfen, welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen die Geschäftsschließung in dem streitgegenständlichen Zeitraum für die Beklagte hatte und ob diese Nachteile ein Ausmaß erreicht haben, das eine Anpassung des Mietvertrags erforderlich macht.

Quelle: BGH, Urteil vom 12.1.2022, XII ZR 8/21, PM 4/22 vom 12.1.2022